Liebe Wesselingerinnen und Wesselinger,
heute gedenken wir der unzähligen Männer, Frauen und Kinder, die während der beiden Weltkriege Opfer von Schlachten und Bombenhagel, von Völkermord und Rassenwahn, von Terror und Vertreibung wurden. Wir denken an jene Menschen, die Widerstand geleistet und dafür mit ihrem Leben bezahlt haben. Wir denken an die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die ihr Leben in Auslandseinsätzen verloren.
Wir denken an die Menschen, die in unserer Zeit Opfer von Kriegen und Bürgerkriegen, von Terroranschlägen und Vertreibung werden. Auch jetzt, gerade in diesem Moment, wird anderswo geschossen, geplündert, vergewaltigt.
Wir trauern mit allen, die Leid tragen. Wir trauern mit allen, die durch Kriege ihre Angehörigen, ihre Heimat und auch ihre Zukunftsperspektive verloren haben.
heute erleben wir den zweiten Volkstrauertag in Zeiten eines blutigen Krieges in unserer weiteren Nachbarschaft auf europäischem Boden und seit einigen Wochen schauen wir mit Schrecken in den Nahen Osten.
Wir gedenken heute, 119 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs und 84 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Wir erinnern an die Soldaten, die zivilen Kriegsopfer, die Opfer von Massakern und Genoziden. Wir denken an die Toten der Diktaturen. Wir denken an persönliche Schicksale in abstrakten Kämpfen um Staatsinteressen, in Glaubenskriegen, in Schlachten politischer Ideologien. Gerade die Sinnlosigkeit dieser blutigen Konflikte macht uns immer wieder sprachlos.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, der österreichische Schriftsteller Karl Kraus hat in seinem 1922 erschienenen Werk „Die letzten Tage der Menschheit“ geschrieben: „Alles, was gestern war, wird man vergessen haben. Was heute ist, nicht sehen. Was morgen kommt, nicht fürchten. Man wird vergessen haben, dass man den Krieg verloren, vergessen haben, dass man ihn begonnen, vergessen, dass man ihn geführt hat. Darum wird er nicht aufhören.“ Diese Worte erinnern uns an die doppelte Bedeutung des heutigen Tages: Gedenken und Mahnung.
Der Volkstrauertag erinnert uns daran, dass Frieden und Freiheit nicht selbstverständlich sind. Generationen vor uns haben mit großem Mut und großer Opferbereitschaft für unsere Freiheit gekämpft und gelitten. Viele haben dabei ihr Leben verloren. Ihre Hingabe und ihr Mut dürfen nicht vergessen werden. Heute stehen wir vor der Aufgabe, ihre Erinnerung lebendig zu halten und aus der Geschichte zu lernen. Wir müssen dafür sorgen, dass sich die Schrecken der Vergangenheit nicht wiederholen. Dies erfordert eine aktive Auseinandersetzung mit unserer Geschichte, eine Kultur des Dialogs und der Versöhnung sowie den Einsatz für Demokratie, Menschenrechte und Toleranz.
Der Volkstrauertag erinnert uns daran, dass Krieg und Gewalt überall auf der Welt Leid und Zerstörung bringen. Millionen von Menschen sind tagtäglich von Konflikten betroffen, sei es durch Kriege, Bürgerkriege oder terroristische Gewalt. Wir dürfen nicht wegsehen, sondern müssen unsere Stimme erheben und uns für eine friedliche Lösung von Konflikten einsetzen. In unserer globalisierten Welt sind wir alle miteinander verbunden. Unsere Handlungen und Entscheidungen haben Auswirkungen auf andere Menschen, auch in entfernten Teilen der Welt. Daher tragen wir eine Verantwortung für den Erhalt des Friedens und die Bewahrung der Menschenwürde.
Lassen Sie uns den Volkstrauertag nutzen, um gemeinsam ein Zeichen der Solidarität und des Mitgefühls zu setzen. Gedenken wir der Opfer von Krieg und Gewalt, trauern wir angesichts ihres Leids und verpflichten wir uns, für eine friedlichere und gerechtere Welt einzustehen. Möge der Volkstrauertag uns daran erinnern, dass es in unserer Macht liegt, die Zukunft zum Besseren zu gestalten.
Das heutige Innehalten am Volkstrauertag ist umso wichtiger, wenn wir uns vor Augen halten, wie sich uns die Welt – über ein Jahrhundert nach den ersten Schüssen im Ersten Weltkrieg – heute darstellt: der Terrorakt der Hamas und die darauffolgende militärische Auseinandersetzung im Gaza-Streifen, der Krieg in der Ukraine, der seit Jahren anhaltende blutige Bürgerkrieg in Syrien, die Schreckensherrschaft der Taliban in Afghanistan. Sie sind nur die hervorstechendsten Beispiele einer Welt, in der nach wie vor viel zu viele Menschen Opfer von Krieg, Terror und Blutvergießen sind. Die Zahl dieser Opfer ist unüberschaubar. Alle von ihnen hatten Familie und Freunde, die trauern. In diesem persönlichen Schmerz wird uns die Tragweite des heutigen Tages bewusst.
Es ist unsere Verantwortung, uns für eine friedliche Lösung von Konflikten einzusetzen. Dies bedeutet, dass wir als internationale Gemeinschaft zusammenarbeiten müssen, um den Dialog und Verhandlungen zu fördern. Es erfordert den Einsatz diplomatischer Mittel, um eine Deeskalation zu erreichen und nachhaltige Lösungen zu finden. Nur durch eine konstruktive Zusammenarbeit lassen sich Wege zum Frieden ebnen.
Freiheit und Frieden sind nie einfach nur da. Sie müssen stets verteidigt und bewahrt werden. In diesem Sinne sollten wir uns auch mit unserem eigenen Land auseinandersetzen und aktiv für eine freie und gerechte Gesellschaft eintreten. Wir dürfen Rassismus, Antisemitismus, Hass und Gewalt keinen Raum geben. Stattdessen müssen wir für Solidarität, Toleranz und Respekt eintreten.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, wenn wir über Frieden sprechen, dann geht es nicht nur um die große Weltpolitik. Dann geht es auch um den inneren Frieden, um ein gutes Miteinander vor Ort. Hören wir immer zu, wenn andere ihre Argumente vorbringen oder über ihre Ängste und Sorgen sprechen? Zeigen wir immer unsere Solidarität und Unterstützung, wenn Menschen in unserem Umfeld beleidigt oder bedrängt werden? Wir alle können einen Beitrag dafür leisten, dass Wesseling ein Ort ist und bleibt, der sich gegen Hetze verwahrt und in dem das Zusammenleben gut funktioniert. Und ich möchte allen danken, die sich dafür stark machen und einsetzen.
„Nie wieder“ – so lautet die Losung dieses Gedenktags.
„Nie wieder“ – das soll unseren festen Willen zum Ausdruck bringen: nie wieder Angriffskrieg, nie wieder Unfreiheit, nie wieder Unrechtsregime. Nie wieder Völkermord. Freiheit und Demokratie sind es wert, geschützt zu werden. Bei uns, bei unseren Nachbarn und überall auf der Welt.
Setzen auch Sie ein Zeichen für den Frieden und gegen Hass setzen.
Ihr
Bürgermeister
Ralph Manzke